Donnerstag, 25. Januar 2018

Das Wort „Flüchtlingskrise“ sollte das Unwort des Jahrzehnts werden !!

Zwischenruf

Das Wort „Flüchtlingskrise“ sollte das Unwort des Jahrzehnts werden und die rote Karte erhalten


Wir haben eine „Flüchtlingskrise“! Die „Flüchtlingskrise“ bringt unser System an die Grenze“ … und viele weitere solcher Äußerungen haben wir uns in den letzten Jahren angehört.
Ich denke es reicht und wir sollten dringend der Politik den Spiegel vorhalten. Wir haben keine „Flüchtlingskrise“. Menschen, die zu uns gekommen sind um einen entsprechenden Schutz vor Terror, Folter, Gewalt und Morden zu erhalten, sind für uns kein Problem.



Vielmehr hat sich unser System in den letzten Jahren dahin entwickelt, dass wir uns mit der Tatsache abgefunden haben, als „alternde“ Gesellschaft zu schrumpfen. Der im Rahmen der Agenda 2010 gestartete Sozialabbau, der seinesgleichen sucht, trug das seinige zur Haltung in der Gesellschaft bei. Als Ergebnis wurde der soziale Wohnungsbau eingeschränkt, soziale Leistungen abgesenkt, das „fordern“ trat vor das „fördern“, der Ansatz „Arbeit 4.0 - Digitalisierung“ politisch voran getrieben ohne sich der Konsequenzen im Arbeitsmarkt bewusst zu sein und viele andere Haltungen, welche die Kosten-Nutzen-Rechnung in den Vordergrund stellen z.B. Neoliberalismus, Kapitalismus usw., wurden zu einer gesellschaftlichen Haltung. Nicht berücksichtigt wurde in dieser gesellschaftlichen Lethargie, dass der eingeschlagene Weg keine Perspektive für unser Land darstellen konnte. Dass wir Zuwanderung, junge Menschen und auch Veränderungen benötigen, ging in der rechtskonservativen Haltung unter. Es zählte nur noch die Lethargie, das sich selbst bemitleiden und das Resignieren.

Genau in diesem gesellschaftlichen Zustand bringen Situationen in der Welt unsere Gesellschaft in Bewegung, die historisch gesehen durch kolonialistisches Handeln der westlichen Welt ihre Wurzeln haben. Fehler, die in Deutschland durch die neoliberale politische Ausrichtung gemacht wurden traten hervor.

Unwörter wie „Flüchtlingskrise“ wurden geschaffen, um von den eigentlichen gesellschaftlichen Problemen abzulenken. Nachdem jedoch nun immer stärker rechtspopulistische und  rechtsextreme Ansätze gesellschaftlich akzeptiert sind, muss Soziale Arbeit reagieren. Eine Gesellschaft, die Opfer zu Schuldigen macht - auch durch Begriffe wie „Flüchtlingskrise“ - muss wachgerüttelt werden.

Wir sollten daher als Soziale Arbeit das Wort „Flüchtlingskrise“ zum Unwort des Jahrzehnts erklären und mit dieser Erklärung das eigentliche Problem benennen.

Wir haben keine „Flüchtlingskrise“ sondern eine „Krise der deutschen und europäischen Politik und dadurch auch der ausführenden Administration“. Wenn über Familiennachzug in einer Art und Weise diskutiert wird, als seien Familien ein Problem, muss an dem demokratischen Verständnis, das sich an so genannten christlichen und humanistischen Werten orientiert, gezweifelt werden.

Das Wort „ Flüchtlingskrise“ muss daher stellvertretend für das dahinter stehenden Politikversagen als Unwort des Jahrzehntes bezeichnet werden. Dem politischen Versagen gebührt die rote Karte. An seine Stelle sollte in unserer Debattenform zukünftig von der „Krise der deutschen und europäischen Politik und dadurch auch der ausführenden Administration“ gesprochen werden.
 
 


24. Januar.2018

Verfasst von: Michael Leinenbach


 

3 Kommentare:

  1. Es mag sein, dass die hohe Zahl an Flüchtlingen die Folgen des Abbaus des Sozialsystem noch deutlicher hat werden lassen. Soweit stimme ich gerade noch zu.
    Ansonsten widerspreche ich. Wir hatten in den letzten zwei Jahren ohne Zweifel eine Flüchtlingskrise - und sie ist längst nicht vorbei. Die öffentliche Hand hatte die Kontrolle völlig verloren, man hat die Menschen an der Grenze durchgewunken, niemand wusste, wer ins Land kommt. Am Ende waren es so viele, dass wir es vor allem einem Heer von engagierten Ehrenamtlichen und vielen Sozialarbeitern, Dozenten und Lehrern zu verdanken haben, dass die Krise nicht viel offensichtlicher wurde und die Menschen hier einigermaßen gut angekommen sind. (Selbstverständlich stelle ich nicht in Frage, dass wir die Menschen, die nun einmal hier sind, gut und würdig behandeln. Ich stelle aber in Frage, dass wir noch mehr (Armuts)Flüchtlinge in dieser Größenordnung gesellschaftlich vertragen können, ohne dass die Gesellschaft sich weiter spaltet und an ihre Grenzen kommt. Und davon haben dann die Flüchtlinge - der Begriff ist nicht korrekt, ich übernehme ihn dennoch - wahrlich auch nichts).
    Sie schreiben: "Menschen, die zu uns gekommen sind um einen entsprechenden Schutz vor Terror, Folter, Gewalt und Morden zu erhalten, sind für uns kein Problem." Ich bezweifle, dass alle Menschen vor Krieg und Mord geflohen sind, wir wissen inzwischen, dass ein großer Teil Analphabeten und Armutsflüchtlinge sind. Sie beklagen den Abbau des Sozialstaates. Ich auch. Aber glauben Sie wirklich, dass eine weitere unregulierte Zuwanderung und ein starker Sozialstaat vereinbar sind? Auf der Welt sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht, die Armuts- und Wasserknappheitsflüchtlinge der nächsten Jahre nicht mitgerechnet. Wie viele davon können Ihrer Meinung nach Europa kommen, ohne dass es die Gesellschaften hier überfordert? Ich frage Sie: Warum finanzieren wir nicht gute und sichere Flüchtlingslager in der Nähe der Herkunftsländer? Warum sprechen wir davon, dass wir Flüchtlinge integrieren? Also, warum bringen wir die Begriffe Flucht und Einwanderung (und manchmal auch noch Asyl) durcheinander?
    Ich weise auch freundlich darauf hin: Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ereignisse von 2015. Sollten für uns Sozialarbeiter nicht das Recht und der Rechtsstaat die höchsten Maßstäbe sein?

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  2. Sehr geehrter Herr Denker,
    vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen und das ist auch gut so.
    Sie schreiben an einer Stelle: „…..wir es vor allem einem Heer von engagierten Ehrenamtlichen und vielen Sozialarbeitern, Dozenten und Lehrern zu verdanken haben, dass die Krise nicht viel offensichtlicher wurde und die Menschen hier einigermaßen gut angekommen sind…..“. Wir sind hier nicht weit auseinander. Ich stellte u.a. fest, dass Politik eine Krise hat (und diese haben wir, wie ich entsprechend ausgeführt habe, schon seit längerem). Dank der vielen Engagierten haben wir die Anforderungen, die die politischen Fehentscheidungen verursacht haben, aufgefangen. Leider hat Politik bis heute hier die Hausaufgaben immer noch nicht gemacht.
    Sie schreiben: „Auf der Welt sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht, die Armuts- und Wasserknappheitsflüchtlinge der nächsten Jahre nicht mitgerechnet. Wie viele davon können Ihrer Meinung nach Europa kommen, ohne dass es die Gesellschaften hier überfordert?“. Diese Aussagen sind zynisch und wenn Sie die gesamten bisherigen Veröffentlichungen gelesen hätten, würde Sie erkennen, dass wir solche Aussagen nicht tätigen.
    Andererseits ist diese Aussage von Ihnen wieder ein beweis dessen was ich geschrieben habe. Wir haben eine Krise der Politik – und Politik sollte das auch zurückgespiegelt bekommen.
    Ich lade Sie ein unsere gesamten Stellungnahmen zu lesen und bitte Sie, keine zynischen Interpretationen in Texte zu legen, die dort unangebracht sind.
    Auf der Homepage des DBSH finden Sie zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen entsprechende Antworten aus Sicht der Profession. Gleichsam gilt für die Profession die Achtung der Menschenrechte. Hier lade ich Sie ein die Berufsethik zu lesen.
    Wenn der wissenschaftliche Dienst des Bundestages, wie Sie aufzeigen, „Zweifel“ an irgendetwas haben sollte, so verfügt er über die besten Kontakte zur Politik und kann seine Sichtweisen mit der Politik direkt klären.
    Wir haben unsererseits bereits in den letzten Jahren entsprechende Forderungen an die Politik gestellt. Für das politische Handeln jedoch ist die Politik zuständig und wie Politik damit umgeht liegt in deren Verantwortung.
    Wesentlich ist jedoch, dass Soziale Arbeit sich zu Wort melden muss, wenn „Schuldige“ gesucht werden, um von politischen Krisen abzulenken. Solche Vorgehensweisen sind mit Menschenrechten aus meiner Sicht nicht vereinbar und „Sprache“ versucht „Wahrheiten“ zu schaffen, weshalb ich diesen Zwischenruf gestartet habe, um darauf aufmerksam zu machen.
    Ich nehme Ihre Kritik zur Kenntnis, würde mich jedoch auch freuen, wenn der Kommentierung auch persönliche Daten – Funktionen – usw. beigefügt würden, denn in einer Debatte sollte offen miteinander umgegangen werden.

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  3. Sehr geehrter Herr Leinenbach,

    danke für ihre Antwort. Was den Umgang mit Flüchtlingen angeht, die in Deutschland und Europa angekommen sind und ankommen, stimme ich Ihnen völlig zu. Dass wir alle Menschen würdig behandeln, ist eine Selbstverständlichkeit. Auch ich bin der Meinung, dass die Angebote der Sozialen Arbeit allen Menschen, losgelöst von der Herkunft, angeboten werden sollen, ganz zweifelsfrei. Ich habe in meinen mehr als 16 Jahren Sozialarbeit immer auch ethische Fragen als bedeutend betrachtet, nicht zufällig bin ich in den DBSH eingetreten, der nicht nur Gewerkschaft sondern auch Berufsverband ist. Insofern halte ich, bei allem gebotenen Respekt, Ihre „Einladung“, die Berufsethik zu lesen, für verfehlt.

    Keineswegs ist es auch so, dass ich Flüchtlinge als „Schuldige“ für irgendetwas ausmache. Deutschland muss Menschen, die vor Krieg, Terror, Gewalt usw. fliehen, helfen. Richtig. Wir sollten helfen, Konflikte diplomatisch zu lösen, gewiss auch ein Bereich, in dem Soziale Arbeit etwas beitragen kann. Deutschland sollte einen Beitrag leisten, Fluchtursachen zu bekämpfen, z.B. keine Waffen exportieren (was unter kapitalistischen Bedingungen weiter erfolgen wird, soweit ist es leider klar). Wir sollten die Menschen retten, die im Meer drohen, zu ertrinken. Alle. Aber ebenfalls sollten wir auf der politischen Ebene deutliche Signale aussenden, dass wir eine lebensgefährliche Fahrt auf einem Seelenverkäufer niemals mit einer Aufnahme in Europa honorieren.
    Natürlich sollten wir auch weiterhin Flüchtlinge aufnehmen, im Vergleich zu 2015/16 in deutlich begrenzter Zahl. So sieht es im Übrigen auch die Migrationsforschung. Und so äußert sich auch W. Nodes im m.E. gelungenen zweiten Teil seines Zwischenrufes in der aktuellen Forum Sozial: „Und wir müssen erkennen, dass eine jährliche Zuwanderung von fast einer Millionen Menschen keine Lösung für die Aufteilung der Welt in Reich und Arm, in Mächtige und Ohnmächtige wäre. Einwanderung muss möglich sein, politisch verfolgte müssen geschützt und Kriegsflüchtlinge gerettet werden, aber den Schlagbaum ganz zu öffnen macht keinen Sinn.“ Nichts anderes habe ich sagen wollen, weshalb es auch keinen Grund gibt, meine Aussagen als zynisch zu bezeichnen.
    Für ganz viele Flüchtlinge auf der Welt sollten wir mit viel Geld gute und sichere Flüchtlingslager außerhalb Europas finanzieren. So können wir unserer Verantwortung gerecht werden. Wahrung der Menschenrechte: Ja! Aber das ist nicht mit Flucht nach Europa gleichzusetzen. Denn ein Menschenrecht auf Einwanderung nach Europa gibt es nicht!
    Am Ende werden wir, wenn auch sehr schmerzlich akzeptieren müssen, was Soziale Arbeit auch in anderen Bereichen akzeptiert: dass wir nicht jeden Menschen, der im Elend ist, retten können.

    Ein Gedanke noch: Eine Partei wie die AfD kann auch dann stark werden, wenn nicht mehr zugehört wird, wenn viele Menschen einfach nicht mehr ernst- oder wahrgenommen werden. Wenn Menschen mit Sorge und Not als „besorgte Bürger“ beschimpft werden, oder gar pauschal als Pegida-Anhänger, Nazis oder Rassisten. (Und wir wissen ja, so wie man einen Menschen behandelt, so verhält er sich auch). Eine offene Debatte, die auch ein „über das Ziel hinaus schießen“ erlaubt und Widersprüche und Kritik erträgt, ist in linken, grünen, kirchlichen etc. Milieus kaum noch möglich. Es ist ein Klima der Angst entstanden, der Angst vor freier Meinungsäußerung, der Angst, sozial ausgegrenzt zu werden. Ich glaube, das Soziale Arbeit hier einen wichtigen Beitrag zu leisten hat und leisten kann, wenn sie dafür sorgt, dass Menschen reden können, ohne für ihre Gedanken kritisiert oder verlassen zu werden. Aktives Zuhören haben wir als Sozialarbeiter ja gelernt. Ich sehe das auch als einen wichtigen Beitrag unserer Profession, einer weiteren Spaltung unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und den weiteren Aufstieg der AfD zu begrenzen.


    Mit freundlichen kollegialen Grüßen

    Andreas Dencker
    Diakon/Dipl. Soz. Päd. (FH)
    Sozialtherapeut/Sucht (GVS)
    Mitglied im DBSH

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