Montag, 22. September 2014

Blüten der Schuldenbremse – Jugendhilfe im Griff der Betriebswirtschaft

Das Saarland, in vielen Bereichen als Modellregion angepriesen, dient auch in der Umsetzung der Schuldenbremse als „Modellregion“. Kaum ein weiteres Bundesland muss seinen Gürtel so eng zuziehen wie zurzeit das Saarland.

Und wenn dann nichts mehr zu verteilen ist und dennoch weiter gespart werden muss, kommen alle Positionen auf den Prüfstand, die bisher gesellschaftlich akzeptiert waren.
Ins Blickfeld gelangt ist nun die Kinder—und Jugendhilfe, wie im beigefügten Bericht der Saarbrücker Zeitung zu lesen ist. Stand in der Kinder- und Jugendhilfe bislang laut § 1 SGB VIII (KJHG) das Recht auf Erziehung (Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe) im Vordergrund, so verändert sich, auch politisch gesteuert, langsam das gesellschaftliche Klima hin zu betriebswirtschaftlichen Debatten wie (vgl. Zitat der Ministerpräsidentin in der Saarbrücker Zeitung vom 22.09.14) die Einführung eines „transparenten Systems von Kennziffern“.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass dieses Klima in einem Umfeld entsteht, in dem die im Saarland vorherrschende Dreigliedrigkeit (Gemeinden, Landkreise, Land) im Rahmen der Schuldenbremse zur Disposition stehen sowie der Zusammenschluss der Gemeinden zu größeren Einheiten gefordert wird.
Was tun, wenn also die Systemfrage gestellt wird und die unterschiedlichen Ebenen und Strukturen auf den Prüfstand kommen? Anstatt sich dieser Frage zu widmen werden „Nebenkriegsschauplätze“ aufgebaut. Wer gibt schon gerne politische Macht auf? Wer ist freiwillig bereit auf gewohntes, bekanntes und „lieb gewonnenes“ zu verzichten?

Wie bundesweit zurzeit üblich stürzt sich alles auf die Kinder- und Jugendhilfe.  Fallsteigerungszahlen, Überprüfung der Hilfesysteme und deren Anwendung, ja gar das so genannte „transparente System von Kennziffern“ werden in die politische Debatte gebracht. Kinder- und Jugendhilfe als „Opferlamm“ der Schuldenbremse? (http://www.michael-leinenbach.de/fileadmin/downloads/PM_DBSH_Schuldenbremse.pdf) Anbieten tut sie sich, denn wer kann denn schon im Vorfeld sagen, ob eine Hilfeleistung auch den gewünschten Erfolg bringt?
Öl ins Feuer wird gleichzeitig durch die Debatte gegossen, dass sich jeweils am günstigsten Standard orientiert werden muss. Stellt sich nur die Frage, was denn bitte der günstigste Standard ist? Legt man die Betriebswirtschaft zu Grunde natürlich das günstigste Angebot.

Wird also aus dem bisher im SGB VIII (KJHG) vorgesehenen Recht auf Erziehung ein auf betriebswirtschaftlicher Basis erschaffenes Recht auf Ver- und Bewahrung? Unbekannt ist uns das Ganz ja nicht. Blickt man zurück in die Anfänge der Sozialen Arbeit so war das Almosenwesen ein Ursprung der späteren Entwicklung hin zu einem Fürsorgesystem.
Stehen wir also vor einem sogenannten Zurück an den Anfang? Kinder- und Jugendhilfe als Almosen für Bedürftige?

Die Bundesrepublik hat mit der Ratifizierung der der UN – Behindertenrechtskonvention sich zum Ziel gesetzt, Umsetzung der Inklusion vor Ort gerade auch in den Kommunen zu stärken. Wichtig ist hierbei auch zu beachten, dass mit Behinderung nicht die deutsche Deutung des Wortes verbunden ist, sondern die Deutung der UN, die exemplarisch in folgenden Schlagworten zusammengefasst werden kann:

·         Jeder Mensch muss gut behandelt werden.

·         Jeder Mensch hat Würde.

·         Niemand darf diskriminiert werden.

·         Jeder Mensch soll die gleichen Chancen haben.

·         Jeder Mensch darf an der Gesellschaft teilhaben.

·         Jeder Mensch darf für sich selber entscheiden.

 


Steht also wie in der Konvention gefordert der Mensch im Vordergrund, so müsste sich die derzeitige betriebswirtschaftliche Debatte um die Kinder- und Jugendhilfe eher in eine Inklusionsdebatte verändern.
Gleichsam müsste das eigentliche Problem, die Systemfrage, verstärkt in den Vordergrund rücken.

Es liegt an uns, hier die Debatten der Politik zu entzaubern und ihr den Spiegel vorzuhalten. Anstelle so genannte „betriebswirtschaftliche“ Debatten über Qualitätsstandards und Einsparpotenzial zu führen, sollte Politik sich an ihre Beschlüsse zur Inklusion erinnern und das, was dort an Inhalten steht, so die Würde des Menschen.
Gleichzeitig muss sich Politik, wenn Sie denn eine „kapitalistische“ Schuldenbremse aufrecht halten will, die Systemfrage stellen. Wie viele politische Strukturen benötigt die Bundesrepublik? Welche Verwaltung ist notwendig? Was kann hier vereinfacht -gar zusammengefasst werden?

Als Anwalt des Sozialen muss daher die Soziale Arbeit das Wort erheben und die „kapitalistische“ Schuldenbremse in ihre Schranken weisen.
Möge doch die Politik ihre Spiele auf ihrer eigenen Spielwiese durchführen. Hier gibt es genügend Möglichkeiten über bisherige föderalistische Strukturen zu debattieren und sich gegenseitig weg zu sparen.

Das Saarland als viel gepriesene Modellregion. Lieber Bund sei also wachsam, Modelle werden nicht nur im positiven transportiert. Sollte also das betriebswirtschaftliche und kapitalistische „transparente Systems von Kennziffern“ zum Ziel führen entsprechende Mittel einzusparen, so wird es – wie das bereits auf anderen Gebieten bekannt ist, auch in anderen Ländern genutzt.

Wir jedoch sagen „Finger weg von der Kinder- und Jugendhilfe“ und halten der Politik ihre eigenen Beschlüsse sowie die Gesetze vor, an die auch die Politik gehalten ist.

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